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Klein, aber oho – ein Schweinchen erzählt (Teil 3)

„Hatti?“ „Hat!“ „Hatnich!“
Ein solch minimalistischer Dialog war für mich zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, und ich war ein wenig neidisch auf französische Cochonnets, die viel klangvollere Dialoge miterleben. Inzwischen habe ich die Frage „Hatti?“ und die darauf möglichen Antworten richtig liebgewonnen, ist so doch mit nur zwei Worten die Frage, ob eine Kugel den Punkt hat oder nicht, geklärt.
Ganz besonders gut gefällt mir die unter Boulespieler*innen übliche Äußerung, bevor die Partie beginnt. „Schönes Spiel!“, sagen sie, und damit ist alles gesagt, es kann losgehen.
Für mich gibt es eigentlich nur schöne Spiele. Mal bin ich von Kugeln umzingelt, mal halten die meisten Kugeln respektvollen Abstand zu mir, mal stellt sich die Frage „Hatti?“ ganz oft.
Dann umringen die Teams die Kugeln und mich, sie betrachten das Arrangement von allen Seiten, haben unterschiedliche Ansichten, ob die Antwort „Hat!“ oder „Hatnich!“ heißt. In diesem Fall kommt das Maßband zum Einsatz, und die Frage, welche Kugel mir am nächsten liegt, kann endlich geklärt werden.
Ich liebe es, wenn gemessen wird, zeigt es doch, dass alle Bouler*innen es ungeheuer wichtig finden, ihre Kugeln ganz in meiner Nähe zu platzieren. Ja, manche knieen sogar vor mir nieder, um wirklich genau zu messen. Das sind dann sehr bedeutsame und unvergessliche Momente für jedes “pöötie“.
Manchmal zucke ich beim Messen unauffällig ein wenig in eine bestimmte Richtung oder ich plustere mich unbemerkt von allen Beteiligten etwas auf, so dass die zurückliegende Mannschaft den Punkt bekommt. Ein gewisses soziales Engagement ist für mich eben selbstverständlich, und wenn mir ein solcher Coup geglückt ist, summe ich ganz leise “What a wonderful world“ von Louis Armstrong vor mich hin.
Als ganz besonderen Höhepunkt empfinde ich es, wenn es gegen Ende einer Partie heißt „Schuss für Schluss!“. Nach diesen drei Worten wird es spannend, besonders dann, wenn die Schusskugel die letzte zu spielende Kugel in dieser Aufnahme ist.
Das mit dem Schuss beauftragte Teammitglied geht hochkonzentriert in Position, alle Spieler*innen und auch ich werden mucksschweinchenstill, und alle sind in froher oder banger Erwartung zu erleben, was jetzt geschieht. Schließlich wird die Kugel geworfen, ich sehe sie mit Wucht auf die gegnerische Kugel und mich zukommen.
Die Schusskugel trifft genau, aber sie trifft nicht nur die gegnerische Kugel, sondern auch mich. Jetzt gebe ich alles, ich fliege durch die Luft, beschleunige gewaltig und lande zufrieden und triumphierend im Aus. Natürlich bleibt es mein Geheimnis, ob ich auf den Flug ins Aus in irgendeiner Weise Einfluss genommen habe.
Also geht die Partie noch weiter, und egal, wie sie endet, für mich war es ein schönes Spiel, habe ich doch einmal mehr bewiesen, dass man “le pöötie“ nie unterschätzen sollte.
Beim nächsten Mal berichte ich von Gewohnheiten und Ritualen bei einer Boulepartie.
Bis bald, à bientôt!
ChMa