Klein, aber oho – ein Schweinchen erzählt (Teil 2)
Wenn ich zu Beginn einer Aufnahme behaglich auf dem Spielfeld liege, bin ich immer voller Vorfreude und in gespannter Erwartung. Werde ich an der jetzigen Stelle liegen bleiben? Werde ich auf dem Spielfeld auf Wanderschaft gehen oder sogar das Spielfeld mit Schwung verlassen?
Eine meiner Lieblingssituationen ist es, wenn eine Kugel so dicht vor mir landet, dass wir uns berühren. Ich weiß genau, was jetzt geschieht: die gegnerische Mannschaft wird auf diese Kugel schießen, und wenn sie getroffen wird, fliege ich wahrscheinlich mit weg. Das ist Nervenkitzel pur, es ist für mich so aufregend wie ein Looping auf der Achterbahn und ein Bungee-Sprung zusammen. Dann endlich wird die Kugel geworfen, sie trifft die liegende Kugel mit voller Wucht, und ich fliege in kühnem Bogen durch die Luft, lande oft irgendwo außerhalb des Spielfeldes und freue mich riesig über dieses tollkühne Abenteuer. Manchmal verstecke ich mich im hohen Gras oder im Gebüsch, und alle Spielenden suchen nach mir. Wenn sie mich dann endlich gefunden haben, ist die Freude bei ihnen groß, was ich natürlich sehr angemessen finde.
In manchen Aufnahmen bin ich ständig auf dem Spielfeld unterwegs, weil ich von den Teams manchmal geplant, oft auch ungeplant, angestoßen oder weggeschubst werde.
Meistens entschuldigen sich Spieler*innen, wenn sie mich an eine andere Stelle bewegen. Das finde ich sehr höflich und respektvoll mir gegenüber.
Gelegentlich erlaube ich mir in solchen Situationen, den Spielverlauf für alle etwas spannender zu gestalten oder der deutlich zurückliegenden Mannschaft zum Gewinn der Aufnahme zu verhelfen, indem ich eine kleine Unebenheit im Boden oder ein Steinchen nutze und so meinen Kurs völlig ändere. Ich bleibe also ganz woanders liegen als die Mannschaften es erwarten. Anschließend freue ich mich über die erstaunten oder erfreuten Gesichter und darüber, wie ich als “le pöötie“ ins Spielgeschehen eingreifen kann.
Für versierte Boulespieler*innen bin ich darüber hinaus auch ein wichtiger taktischer Mitspieler. Sie versuchen, mich ins Aus zu schießen, um so die Aufnahme zu ihren Gunsten zu beenden.
Auge in Auge liegen bzw. stehen wir uns dann gegenüber, „le pöötie“ und das für diese Aufgabe ausersehene Teammitglied. Es ist wie in dem Western “Zwölf Uhr mittags“, man glaubt, die bekannte Filmmelodie zu hören. Ich bin voller Anspannung, erwarte den Aufprall der Kugel (zum Glück bin ich sehr robust), die Kugel kommt, sie trifft mich und ich lande wie geplant im Aus – welch ein tolles Flugerlebnis für mich!
Oft bedauere natürlich die Mannschaft, die durch diese Aktion möglicherweise die Aufnahme oder sogar das Spiel verloren hat.
Aber so ist das Spiel, c’est le jeu!
Beim nächsten Mal berichte ich davon, was ich bei einer Boulepartie so alles höre und beobachte.
Bis bald, à bientôt!
ChMa